5.3.1 Von der Feuerwehr zur Hilfspolizeitruppe
Am 14. Juni 1933 gab der Landesfeuerwehrverband eine Bestimmung heraus, die den für die Staatspolizei geltenden Vorschriften nahekam. Der nach 1918 abgelehnte militärische Drill wurde wieder zum Bestandteil der Ausbildung innerhalb der Wehren. Hacken zusammennehmen, Knie durchdrücken, Kinn an die Binde und „Bauch rein - Brust raus“ sollten die Kommandorufe werden, wenn es nach dem Willen der Verbandsspitzen ging. Allgemein galt für die Feuerwehrmänner der militärische Gruß.
Die Bestimmung von 1933 besagte unter anderem folgendes: „Bei Teilnahme in Uniform an offiziellen Veranstaltungen stehen beim Absingen der Nationalhymne und des Horst-Wessel-Liedes die Wehrführer und die Mannschaften still auf das Kommando: Stillgestanden. Die Wehrführer salutieren durch Erheben der rechten Hand zur Kopfbedeckung. In geschlossenen Räumen erheben Wehrführer und Mannschaften in Uniform die rechte Hand beim Singen der erwähnten Lieder sowie beim Huldigungsruf auf „Sieg Heil“. Das Tragen von politischen Abzeichen und Armbinden, also auch Hakenkreuz, zur Uniform hat zu unterbleiben (Erlaß des Herrn Ministers des Innern). Hakenkreuzwimpel dürfen an den Wehrfahnen angebracht werden.“
Die Feuerwehren im Kreis Plön paßten sich bald den neuen Begebenheiten an. Am 28. Mai 1933 fand der 37. Kreisfeuerwehrtag in Barsbek statt. Er wurde durch ein dreifaches „Sieg-Heil“ eröffnet, danach legten die Teilnehmer ein Gelöbnis auf die Regierung ab. Die sich bis dahin unpolitisch gebenden Feuerwehren gerieten verstärkt unter die Kontrolle des Staates.
Der Staat, der mit dem ideologischen Anspruch auftrat, ein streng hierarchisch gegliederter Führerstaat zu sein, duldete es auch nicht, daß dezentrale, staatlich kaum kontrollierte Institutionen hoheitliche Aufgaben in eigener Verantwortung übernahmen. Nach der nationalsozialistischen Staatstheorie waren die Freiwilligen Feuerwehren als bürgerliche Vereine Überreste aus der „staatsfreien Sphäre des Liberalismus“, in der sich der Staat von den Bürgern wichtige Aufgaben hatte aus der Hand nehmen lassen. Diese Entwicklung wurde nun rückgängig gemacht.
Ein erster Schritt in diese Richtung war das Preußische Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 15. Dezember 1933. Es löste die am 4. September 1932 in Bad Oldesloe verabschiedete demokratische Satzung des Feuerwehrverbandes Schleswig-Holstein ab. Die Feuerwehren verloren ihre bisherige privatrechtliche Grundlage als Vereine des bürgerlichen Rechts und wurden als „Polizeiexekutive besonderer Art“ im Polizeirecht verankert. So wurde in Preußen aus den Freiwilligen Feuerwehren die „Feuerlöschpolizei“.
Der Zweck dieser Veränderung wurde offen formuliert: Es galt, die Feuerwehren durch zentrale gesetzliche Bestimmungen ihrer Aufgaben und Pflichten für kommende Kriege einsatzfähig zu machen. Schon am 13. Juni 1933 erklärte Regierungspräsident Böhmcker anläßlich des 50jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehren des Landesteils Lübeck: „In einem kommenden Krieg werde besonders das Hinterland zu leiden haben. Hier liegen die kommenden Aufgaben der Feuerwehren, bei deren Vorbereitung zur Erfüllung die Wehren der Unterstützung der Regierung gewiß sein können.“
Ähnlich äußerte sich ein Beamter des Luftfahrtministeriums auf einer Tagung des Reichsvereins Deutscher Feuerwehringenieure am 17. Juni 1936 in Darmstadt. Er führte in seinem Vortrag aus, daß es die Rolle der Feuerwehren in einem Krieg sein werde, „den Kampf gegen die drohende Katastrophe aufzunehmen, von dessen Ausgang es abhängt, ob der feindliche Angriff seinen Zweck erreicht oder nicht. „Mit der Änderung der Rechtsgrundlagen entfielen für die Feuerwehrvereine die traditionellen zivilrechtlichen Strukturen. An Stelle der Vorstandswahlen ernannte der Führer des Provinzialfeuerwehrverbandes - im Einvernehmen mit dem Kreisbrandmeister und dem Ortspolizeiverwalter - die Ortswehrführer und berief diese ab. Generell galt das Führerprinzip.
Die Aufsicht über den Kreisfeuerwehrverband lag in den Händen des Landrats. Adolf Paulsen blieb weiterhin Vorsitzender des Vorstandes, der sich jetzt Führerrat nannte. Der Landrat berief die Mitglieder in diesem Rat per Verordnung. Als Beispiel dafür dient uns die Abschrift einer solchen Anordnung, die am 1. Mai 1936 in der „Schleswig-Holsteinischen Feuerwehrzeitung“ abgedruckt wurde. „Plön, den 30. März 1935, Auf Grund des § 9 der Satzung des Kreisfeuerwehrverbandes habe ich zu Mitgliedern des Führerrates berufen: Tischlermeister und Gemeindevorsteher Jürgens in Dannau als Fachwart und Stellvertreter des Vorsitzenden; Bauer und Gemeindevorsteher C. H. Schlotfeld in Klein-Flintbek als Pressewart; Bauer Walter Paustian in Kaköhl und Schneidermeister Dunker in Plön sind auf eigenen Wunsch aus dem Führerrat abberufen. Der Landrat“
Die Mitgliederversammlungen waren zunehmend von politischer Agitation geprägt. Auf der außerordentlichen Generalversammlung der Freiwilligen Feuerwehr Plön Ende August 1934 richtete der Bürgermeister Dostal „ermahnende“ Worte an die Feuerwehrmänner. Seine Ansprache wurde teilweise im „Plöner Wochenblatt“ vom 31. August 1934 wie folgt zitiert: „Sie sind an die Spitze der Feuerwehr gerufen worden (gemeint waren die neu ernannten Mitglieder des Vorstandes)(…). Die Aufgaben der Wehr werden in Zukunft wachsen und eine Bedeutung einnehmen, die sich heute noch nicht übersehen läßt. Zur Erfüllung dieser Aufgaben haben sie im echten nationalsozialistischen Geiste zu wirken. (…)Ihren Dienst haben Sie zu führen nach den Aufgaben unseres Führers Adolf Hitler.“
Ähnliche Worte sprach der ebenfalls anwesende Kreisbrandmeister Paulsen. Er wies ausdrücklich darauf hin, daß die „Kameraden ihre staatspolitischen Aufgaben zu erfüllen“ hätten, „auf dem Weg, den der (…) Führer zeigen will.“
Ab dem Jahre 1935 wurde fast jeder Kreisfeuerwehrverbandstag mit einer politischen Weihestunde eröffnet. Aus diesem Anlaß hielt z. B. der Ortsgruppenleiter der NSDAP Groß-Flintbek auf der dortigen Tagung am 23. Mai 1937 eine Ansprache, die den Anwesenden die Ideologie des Nationalsozialismus näherbringen sollte.
Selbst in die Ausbildung der Feuerwehrmänner wurden die politischen Ziele des Staates einbezogen. Wir entnehmen dieses unter anderem der „Schleswig-Holsteinischen Feuerwehrzeitung“ (Ausgabe vom 15. März 1934), in der ein Artikel unter der Überschrift: „Die nationalsozialistische Revolution, ein Beitrag, der im Feuerwehrunterricht zu verwenden sei“, veröffentlicht wurde.
Die „Schleswig-Holsteinische Feuerwehrzeitung“ war bis 1933 fachlich informativ und abwechslungsreich gestaltet worden, aber spätestens seit 1935 war sie zum Verbreitungsorgan nationalsozialistischer Ideen geworden. Der Bezug der Zeitung war den einzelnen Mitgliedern von jeher freigestellt worden; mit der Zeit wurde das Abonnement in den meisten Wehren jedoch zur Pflicht. So mußte jedes Mitglied der Wehr Husberg-Bönebüttel ab dem 1. Januar 1935 die Feuerwehrzeitung halten und selbst bezahlen.
Regelmäßig wurden kurze Auszüge aus „Mein Kampf“ zitiert. Allein die Ausgabe vom 15. November 1935 stößt heute bei unseren historischen Kenntnissen auf Erschrecken. Es erschienen Artikel wie „Das Gespenster U-Boot“ (Kriegserinnerungen), „Wir kommen alle vom Krieg her“, „Novembernacht 1930“ und „Nur für Deutschland“.
Dennoch hielt sich die politische Agitation im Vergleich mit der seit Jahresbeginn 1939 im Auftrage des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, erscheinenden Fachzeitung „Deutscher Feuerschutz“ in Grenzen. Letztere vertrat linientreu die Politik, die Himmler mit SS und Polizeiverbänden verfolgte.
Nicht alle Mitglieder in den Feuerwehrvereinen zeigten sich mit den Veränderungen einverstanden. Es sind nur wenige Aufzeichnungen darüber vorhanden, wie und ob der einzelne Feuerwehrmann sich noch mit seinen Aufgaben identifizieren konnte. Sie sind ein Beleg dafür, daß es Kritik, Skepsis und ablehnende Haltungen innerhalb der Vereine gab.
In Belau traten z. B. 1934 einige Feuerwehrmänner aufgrund der neuen Bestimmungen aus der Wehr aus. Als ein weiteres Indiz für unterschiedliche Auffassungen in den Wehren dient uns eine Eintragung in das Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr Neuheikendorf, wonach eine Auflösung der Wehr aus politischen Gründen mehrheitlich abgelehnt wurde. Aktive politische Gegner hat es vermutlich in den Feuerwehrvereinen ab 1935 nicht mehr gegeben; denn einer Bekanntmachung des Reichsführers SS Heinrich Himmler entnehmen wir: „Die Mitglieder der Feuerwehren sind ein festes Gefüge in der Hand der nach dem Führerprinzip eingesetzten und von ihrer Ortspolizei anerkannten Führer. Die Wehren sind Organe der Polizei. Es ist Gleichschaltung insofern vorgenommen worden, als marxistische und kommunistische Elemente aus den Reihen der Feuerwehren auszuscheiden waren(…).“
Die Führer der Feuerwehren und einfache Mitglieder, die einer „staatsfeindlichen“ Partei angehörten, mußten in der Regel die Wehr verlassen; denn sie genossen in der Ausübung ihrer öffentlichen Aufgabe nicht mehr das Vertrauen der Polizeibehörden. In Eutin wurde der der DDP (Deutsch Demokratische Partei) zugehörige stellvertretende Feuerwehrhauptmann durch einen - wie es offiziell hieß - „alten Kämpfer“ der NSDAP ersetzt. Vermutlich hat es ähnliche Fälle im Kreis Plön gegeben, doch läßt sich dieses anhand der wenigen vorhandenen Quellen über die Zeit des Dritten Reiches nicht belegen.
Anfänglich zeigte das Reichsinnenministerium ein großes Interesse an Neugründungen von Freiwilligen Feuerwehren. Im Jahr 1934 wurden im Kreis Plön die Pflicht- und Gutswehren aufgelöst und im gleichen Zeitraum 48 freiwillige Wehren gegründet. Dazu gehören unter anderem die Freiwilligen Feuerwehren Flüggendorf, Rixdorf, Panker, Kühren und Fargau.
Die Wehren wurden in Feuerlöschverbände zusammengeschlossen. Von nun an hieß z. B. die Feuerwehr von Höhndorf Gödersdorf (1934 gegr.) IV. Löschzug im Feuerlöschverband Stakendorf, dem neben der genannten Wehr noch die von Krummbek, Bendfeld und Stakendorf angehörten. Es gab nur noch Lösch- und Halblöschzüge innerhalb eines Verbandes. Zwar behielt eine Wehr „ihr Eigenleben“ wie etwa die Gemeinschaft, aber für Ausrüstungsgegenstände und das Spritzenhaus war der Feuerlöschverband zuständig. Wie schon erwähnt, nahm der Provinzialfeuerwehrführer Paulsen (Harrislee) die Ernennung der jeweiligen Brandmeister vor. Aus dem Jahre 1934 stammt die uns vorliegende Ernennungsurkunde des Maurermeisters Karl Schnack (Warnau) zum Brandmeister des Halbzuges 5 in Warnau:
Mittlerweile besaß der Kreis Plön mit 45 freiwilligen Wehren und insgesamt 129 Löschzügen (Halb- und Volllöschzügen), in denen 3450 Mitglieder vertreten waren, die meisten Freiwilligen Feuerwehren in der Provinz (Stand: April 1935).
Über den Alltag innerhalb der Wehren gibt es nur wenige Aufzeichnungen. Da keine Mitgliederversammlungen stattfanden, wurden auch keine Protokolle geführt. An die Stelle der Versammlung trat der Dienst- oder Bataillons-Appell, auf dem die Beschlüsse der Führung bekanntgegeben und Befehle erteilt wurden. Seit 1935 beteiligten sich die Feuerwehren aktiv an den Sammlungen des Winterhilfswerks, am 1. Mai marschierten sie zumindest in den Städten geschlossen auf, die Kameradschaftsabende blieben nicht frei von politischer Agitation, und selbst der normale Übungsdienst wurde vor angetretener Front mit Hitler-Gruß und dreifachem „Sieg-Heil“ auf den Reichskanzler beendet.
Das Reichsinnenministerium verordnete am 15. November 1935, daß nur noch „gesund(e), kräftig(e) und gewandt(e)“ Männer, die „einen guten Ruf haben und arischer Abstammung“ waren, Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr sein konnten. Jüdische Mitbürger wurden sofort aus der Wehr ausgeschlossen.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten war der Luftschutz im Krieg öffentliches Thema geworden. In den Fachblättern der Feuerwehren erschienen Artikel über die Notwendigkeit umfassender Luftschutzvorbereitungen; auch in einzelnen Feuerwehren wurde darüber diskutiert und Vorträge abgehalten.
In der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Laboe heißt es: „Im Jahre 1934 wurde das erste Mal über Luftschutz in der Wehr geredet. Es sollte am 10. Januar 1934 ein Lichtbildvortrag über Luftschutz abgehalten werden, hierzu war vom damaligen Landesbranddirektor Schmiedel eine Verfügung herausgegeben worden, in der die Freiwillige Feuerwehr im Winter neun Vorträge abzuhalten hatte.“
Am 17. Dezember 1934 erließ der Regierungspräsident in Schleswig eine Verfügung, nach der die Feuerwehren in den Sicherheits- und Hilfsdienst des Luftschutzes eingegliedert wurden. Erste Schulungskurse für örtliche Feuerwehrführer wurden eingerichtet. Die Wehrführer sollten die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse in den eigenen Wehren weitergeben.
Vier Jahre später fand die organisatorisch-juristische Umformung der Feuerwehren mit dem Erlaß des Gesetzes über das Feuerlöschwesen (23. November 1938) ihren Abschluß. Das Ziel des Gesetzes wurde im Einleitungstext formuliert: „Die wachsende Bedeutung des Feuerlöschwesens, vor allem für den Luftschutz, erfordert, daß schon eine friedensmäßige Organisation hierauf abgestellt wird. Hierzu ist nötig, die Schaffung einer straff organisierten, vom Führerprinzip geleiteten, reichseinheitlich gestalteten, von geschulten Kräften geführten Polizeitruppe (Hilfspolizeitruppe) unter staatlicher Aufsicht. Zur Erreichung dieses Zieles hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, …“ (Gesetz vom 23. 11. 1938)
Der neue Dienstherr Heinrich Himmler versuchte, den Mitgliedern der jetzt entstandenen Hilfspolizei die Zentralisierung des Feuerwehrwesens unter der Aufsicht der Ordnungspolizei schmackhaft zu machen. Er verkündete in den Fachblättern des Jahres 1938: „Männer der deutschen Feuerwehren. Mit dem von der Reichsregierung beschlossenen (…) Gesetz über das deutsche Feuerlöschwesen ist ein neuer Stein auf dem Wege zum Gesamtaufbau des deutschen Polizeikorps gesetzt worden. Ihr seid nunmehr Angehörige der Deutschen Polizei als Feuerschutzpolizei oder Freiwillige Hilfspolizei mit allen gesetzlichen Vollmachten und Pflichten.“
Die über fünfzigjährige Vereinsstruktur der Freiwilligen Feuerwehren war endgültig beseitigt worden. Die Vereine und Verbände wurden aufgelöst. Mit dem Gesetz erhielten die Freiwilligen Feuerwehren polizeiähnliche Befugnisse im Bereich des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes; ihre Führer wurden vom Bürgermeister der Gemeinde ernannt, die auch die Kosten für die Wehr zu tragen hatte. Organisation, Dienstbetrieb und Ausbildungsabläufe wurden durch Verordnungen und Erlasse des Reichsinnenministeriums geregelt.
Die „Dritte Durchführungsverordnung zum Gesetz über das Feuerlöschwesen“ vom 24. Oktober 1939 legte nochmals die wesentlichen Aufgaben der Feuerwehr dar: „Die Freiwillige Feuerwehr ist eine technische Hilfsorganisation bei Öffentlichen Notständen aller Art. Sie ist eine gemeinschaftliche Einrichtung und hat im Auftrage des Ortspolizeiverwalters insbesondere die Gefahren abzuwehren, die der Allgemeinheit oder dem einzelnen durch Schadenfeuer drohen, und die Aufgaben zu erfüllen, die ihr zur Durchführung des Luftschutzes gestellt werden.“
Die Auswirkungen des neuen Gesetzes für die Freiwilligen Feuerwehren im Kreis Plön entnehmen wir dem folgenden Schreiben des Landrats an alle Gemeindeämter (14. Dezember 1939).
Im September 1939 begann Deutschland der Zweite Weltkrieg. Die Feuerwehrmänner, die nicht an der Front eingesetzt wurden, hatten ihre größte und sc hwerste Bewährungsprobe im Löschdienst zu bestehen.