10.2 Exkurs: Brandstiftung
Kurzgeschichten und Romane, die das Thema Brandstiftung beinhalten, nehmen im Erzählgut in Norddeutschland einen breiten Raum ein. Erwähnt seien u. a. Gustav Frennsens Roman „Dumm Hans“; Hans Falladas „Bauern, Bonzen, Bomben“ und Siegfried Lenz' „Die Deutschstunde“. In ihnen werden verschiedene Motive für die Tat dargestellt.
Im Volksmund sind Sprüche wie „he hoolt dat Gewidder ut de Büxentasch“ und „he hett sik en Gewidder köfft“ besonders in Zeiten häufiger Brandstiftung in einer Ortschaft im Umlauf gewesen. Wenn ein baufälliges Gebäude vermutlich bald „brennen“ sollte, dann hieß es; „da schall mal warm afbruken warrn“. Otto Mensing führt noch weitere Beispiele aus dem Volksmund an: „He hett bi dat en gode Rock antrocken“; „Dar is beter to buen ut de Asch as ut de Tasch“ und „He hett sien Huus an de Alsekranz (Assekuranz) verköfft“.
Als häufiges Motiv für Brandstiftungen wird in der Fachliteratur Eigennutz angegeben, da die Hausbesitzer versichert waren. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts besagten die Bestimmungen verschiedener Brandkassen des Herzogtums Holstein, daß „wenn ein Eigenthümer sein Haus muthwillig anzündet, selbiges aber nicht wieder aufzubauen vermag, solcher Brandschaden zur Erhaltung des Credits in subsidium aus der Brandkasse zu ersetzen sey“. Der Heimatforscher Johannes Möller schreibt in seinem Buch: „Das Gesicht der Heimat“ folgendes: „Nirgends in Schleswig-Holstein hat man so gründlich mit den alten Bauernhäusern aufgeräumt wie in Dithmarschen. Die Landesbrandkasse weiß ein Lied davon zu singen, und die Redeweise vom „warm abbrechen“ könnte hier geprägt sein.“
Im Kreis Plön gab es im Zeitraum Oktober 1898 bis September 1899 laut einer Statistik in der „Schleswig Holsteinischen Feuerwehrzeitung“ (Ausg. Oktober 1899) neun Fälle von Brandstiftung. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der Brandstiftungen höher lagen; denn oft hieß es, ein Brand aus ungeklärter Ursache sei ausgebrochen. Dabei muß nicht immer ein nennenswerter Schaden entstehen, wie das Beispiel des Brandes auf dem Gut Sophienhof im Jahre 1855 beweist. Die vierzehnjährige Hausgehilfin Friedericke G. F. zündete aus Heimweh das Gebäude ihrer Dienstherrschaft an. Der Brand wurde rechtzeitig entdeckt und konnte gelöscht werden. Dennoch wurde Friedericke F. zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt, weil sie nach Argumentation des Gerichts konfirmiert sei und von daher ausreichend Religionskenntnisse hätte. Es sei ihr zuzutrauen, daß sie die Folgen der Brandstiftung bedacht hätte.
Laut Statistik wurden ca. 50 % aller Brandstiftungen vom bäuerlichen oder gutsherrschaftlichen Gesinde gelegt. Das Motiv lag im unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Arbeit und den Arbeitsbedingungen auf den Höfen: Die Knechte und Mägde fühlten sich ungerecht behandelt, ausgenutzt oder fürchteten um ihre Stellung.
In einigen Fällen verleiteten die Bauern minderbemittelte Personen dazu, den Besitz anzuzünden. So hatte z. B. 1931 eine Bäuerin ihren Knecht mit den Worten: „Karl, du kannst dir hundert Mark verdienen“ zu dieser Tat angestiftet.
Wenn es tatsächlich zu einer Gerichtsverhandlung kam, dann waren die Zeugen in ihren Aussagen zurückhaltend, weil sie Nachteile vom Täter, dessen Angehörigen oder Freunden befürchteten. Im Dorf war der Täter jedoch bekannt, und man sprach „hinter vorgehaltener Hand“ über ihn.
Ab 1923 stieg die Zahl der Brandstiftungen nicht nur an der Westküste Schleswig-Holsteins, sondern auch im Plöner Gebiet sprunghaft an. Viele Bauern hatten sich überschuldet und sahen darin den einzigen Ausweg. 1924 verlor die schleswig-holsteinische Volkswirtschaft 2,5 Millionen RM durch vorsätzliche Brandstiftung. Daraufhin ließ der Landrat Dr. Kiepert genaueste Ermittlungen über die im Kreis Plön angestiegenen Brände anstellen.
In der Gemeinde Stakendorf, die man als Beispiel für den Kreis Plön anführt, gab es zwischen 1924 und 1932 fünf Löscheinsätze der dortigen Feuerwehr, die ungeklärt blieben oder als Brandstiftung aufgedeckt bzw. als solche vermutet wurden. Pfingsten 1924 brannte das Anwesen des Kätners J. Wiese nieder. Das strohgedeckte Wohnhaus wie auch die ebenfalls weichgedeckte Scheune wurden vernichtet. Vermutlich lag Brandstiftung vor.
Im Schadensfall des Hufners N. Horst im Spätsommer 1926 stellte die Polizei definitiv vorsätzliche Brandstiftung fest. Es wurde jedoch „nur“ der strohgedeckte Viehstall zerstört, da die Feuerwehren das Wohnhaus, eine Scheune und die benachbarten Gebäude vor den Flammen geschützt hatten.
Ungeklärt blieb die Entstehung des Brandes der Scheune des Landwirts A. Stoltenberg in der Nacht vom 20. auf den 21. September 1931. Die gesamte Ernte, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte wurden vernichtet. Es gelang der Stakendorfer Wehr und den Nachbarwehren, ein Ausbreiten des Feuers auf Wohn- und Wirtschaftsgebäude in der näheren Umgebung zu verhindern. Brandstiftung wurde vermutet, weil der Brand in einen jahreszeitlichen Abschnitt fiel, in dem vorsätzliche Brände häufig gelegt wurden (Zeit der Ernte).
In der Silvesternacht 1931/32 stand die Kate des Landwirts H. Mundt in hellen Flammen. Nach kurzer Zeit entstand durch den mäßigen Südwestwind ein Großfeuer, das auf weitere Wohngebäude übergriff. Die Gebäude brannten vollständig nieder, und vier Familien wurden obdachlos. Zwei Monate später wurden nochmals Gebäude des Landwirts H. Mundt durch Feuer zerstört. Dieser Verlust traf Mundt besonders in der damaligen wirtschaftlich angespannten Lage schwer, zumal er mit seinen Gebäuden nicht versichert war. Auffällig war erstens, daß beide Brände zwischen 1.15 Uhr und 1.30 Uhr entstanden und zweitens in der Gastwirtschaft gefeiert wurde. Die Ursache blieb ungeklärt. Im Dorf sprach man von verbrecherischen Motiven wie z. B. Rache. Trotz intensiver Ermittlungen der Polizei blieb der Fall ungeklärt.
1925 forderte der Regierungspräsident in Schleswig in Zeitungen und Flugblättern die Bevölkerung dazu auf, bei der Bekämpfung des „Brandstifterunwesens“ mitzuhelfen. „Der Brandstifter ist ein Schädling der Volkswirtschaft, der im Interesse der Erhaltung des Volksvermögens mit allen Mitteln bekämpft werden muß“.
Teile der Bevölkerung sahen in der Brandstiftung ein Kavaliersdelikt, wenn ein Landwirt seinen Besitz selbst anzündete. Die Dorfgemeinschaft reagierte mit einem vielsagenden Lächeln oder Augenzwinkern: „Er hat aus Sorge um die Familie ...“; „unter seelischem Druck“ oder „Aus Liebe zum Besitz ...“ gehandelt. Dr. Helmer (Landesbrandkasse) schrieb 1930 in einer Betrachtung zu Frenssens Roman „Dumm Hans": „Es ist ein alter Gedanke, der im Volk vielfach verbreitet ist: Das Volk faßt die Feuerversicherung fast wie eine Hauslebensversicherung auf.“
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde für Brandstiftung die Todesstrafe verhängt. 1938 gingen laut offiziellen Angaben die Fälle erheblich zurück. Die Ursache lag im konjunkturellen Aufschwung der Landwirtschaft, der bis 1939 anhielt.
Neben dem Versicherungsbetrug und dem Racheakt gab es noch ein weiteres Motiv: das des Ehrgeizes und Geltungsbedürfnisses. Der Landarbeiter B. beging im Zeitraum Mai 1956 und Juni 1957 drei Brandstiftungen, wobei das Dorf Barsbek zum Teil eingeäschert wurde. Das Motiv war Geltungsbedürfnis. B. war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und bemühte sich, als erster beim Löschen tätig zu werden. In einem anderen Fall, der im Kieler Landgericht verhandelt wurde, hatten sich zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zusammengetan, um Brände zu legen, damit sie sich hinterher mit Eifer am Löschen beteiligen konnten. Solche Brandstiftungen sind jedoch nur vereinzelt aufgetreten und bilden einen geringen Anteil an der Gesamtzahl der vorsätzlichen Brände.
In der Nacht zum 4. Oktober 1959 steckte ein 19jähriger Malergeselle an der Rückseite des Kuhstalles im Preetzer Klosterhof einen Strohhaufen in Brand. Sechs Wirtschaftsgebäude, die um 1700 erbaut wurden und unter Denkmalschutz standen, wurden zerstört. Neben der Preetzer Feuerwehr waren die Wehren aus Rethwisch, Pohnsdorf und Plön am Einsatzort und verhinderten, daß sich das Feuer noch weiter ausbreitete.
Im Januar 1971 wurden die Wehren des Amtes Wankendorf, die Freiwilligen Feuerwehren Plön, Ascheberg, Preetz, Bornhöved (Kreis Segeberg) und Kalübbe zu einem Großeinsatz auf Gut Perdöhl gerufen. Brandobjekt war der Kuhstall. Die Situation war deshalb kritisch, weil sich die umliegenden Gebäude (mit Reet gedeckt) in etwa 10 bis 20 m Entfernung befanden. Nach einer intensiven Löschzeit von ca. 75 Minuten war das Feuer soweit eingedämmt und unter Kontrolle, daß fünf Wehren mit zehn Fahrzeugen abrücken konnten. Der Sachschaden belief sich auf ca. 2 Millionen DM. Als Brandursache stellte sich später ebenfalls Brandstiftung heraus.
In den achtziger Jahren lagen die Fälle von Brandstiftungen in Schleswig-Holstein über dem Bundesdurchschnitt. Nach Angaben der Provinzial Brandkassen-Versicherungsanstalt Schleswig-Holstein waren 1983 von 79 Bränden, die auf Bauernhöfen Schäden von je 100 000 DM und mehr anrichteten, neun von Brandstiftern gelegt worden, darunter einer vom Eigentümer selbst. Das waren über 12 % aller Fälle. Manche Brandursache blieb ungeklärt, so daß die Zahl der Brandstiftungen vermutlich höher lag.
Ein spektakulärer Fall von Brandstiftung ereignete sich im Oktober/November 1984 in Preetz. Die dortige Freiwillige Feuerwehr mußte 25 Brände bekämpfen, wobei es sich in 24 Fällen um einen vorsätzlichen Brand handelte. Der Täter meldete sich in einem Fall bei der Preetzer Wehr mit den Worten: „In 20 Minuten brennt es in Preetz.“
Es ist nach Angaben der Brandkasse davon auszugehen, daß bei einer Zahl von 40 ungeklärten Schadensfällen die Quote der Brandstiftungsfälle nahezu bei 60 Prozent liege.